Platons Symposion

 

Wie schon in der „Apologie des Sokrates“ soll auch in dieser Einspielung „Das Symposion – Reden über den Eros“ der Versuch gemacht werden, dem modernen Bewußtsein einen der bedeutendsten Texte der Antike als lebendiges, gesprochenes Wort nahezubringen. Wieder wählten wir die Übersetzung Friedrich Schleiermachers. Der Text wird fast vollständig zu Gehör gebracht. Bei den Kürzungen handelt es sich vor allem um Partikel wie ‚sagte er’ oder ‚erwiderte sie’, die immer dann entbehrlich waren, wenn der dialogische Wechsel durch die Unterschiede im sprachlichen Gestus der Charaktere deutlich wird. Andere Kürzungen betreffen solche Sätze und rhetorischen Wendungen, durch die der Bericht des Apollodoros oder die Reden der Gesprächsteilnehmer eher retardieren als vorankommen. Das betrifft vor allem die Einleitung, wo der Wortwechsel Apollodoros-Freunde (173,b bis 174,a - nach Stephanus) und das Homerzitat (174,b und c) gestrichen sind. Alle Kürzungen verfolgen den einen dramaturgischen Zweck: den Dialog zu straffen.

 

Die Einspielung folgt der Oxford-Ausgabe von J. Burnet, die den Text in 39 Kapitel gliedert. Schleiermacher hat den Kapiteln eigene Überschriften gegeben. Ihnen entspricht die Aufteilung der Tracks. Hinsichtlich der Aussprache und der Betonung der Eigennamen hielten wir uns wie schon in der „Apologie“ an die Akzentsetzung des Altgriechischen.

 

 

 

 

EINFÜHRUNG

 

I. Die Stellung des Symposions im literarischen Schaffen

Platons

 

Als Platon das Symposion schrieb, befand er sich auf der Höhe seines Schaffens. Das Werk steht in enger Nähe zum Phaidon. Weit zurück lagen schon die ersten Schriften, die Apologie und der Kriton, die noch ganz unter dem Eindruck des schmerzlichen und unbegreiflichen Todes des Sokrates entstanden waren. Beide haben ihre Mitte in der Persönlichkeit des Meisters, seinem Beruf und seiner Treue zu dem, was er einmal als richtig erkannt und das ganze bisherige Leben hindurch gelehrt hatte. Diesen ersten glücklichen Versuchen war eine lange und heftige Auseinandersetzung mit den Sophisten gefolgt. Aus den Dialogen dieser Zeit ragen der Protagoras und der Gorgias sowie das erste Buch des Staates hervor. Dem Symposion geht auch noch der Menon vorauf mit seiner Lehre vom präexistenziellen Wissen und der Wiedererinnerung, die für die Ausgestaltung von Platons grundlegendem Beitrag zur Philosophiegeschichte, der Ideenlehre, bedeutsam wurde. Von den späteren Werken des reifen und alternden Platon seien bloß die beiden wichtigsten genannt, der Staat, in dem die Ideenlehre voll ausgebaut erscheint, und die Gesetze.

 

II.   Die Platonischen Schriften als literarische Kunstwerke

 

Unter Platons Werken nimmt das Symposion, in dem der Dialog gegenüber den zusammenhängenden Reden der einzelnen Teilnehmer des „Gastmahles“ zurücktritt, einen besonderen Rang ein. Die Komposition des Ganzen, die äußerst kunstreiche Gestaltung des Rahmens, die Charakterisierung der einzelnen Personen, das Verhältnis der einzelnen Reden zueinander und die Sprache, die sich vom schlichten, aber dabei doch gewählten Erzählerton bis zu den höchsten Höhen gorgianischer Beredsamkeit, den Stil der einzelnen Redner parodierend, durch alle Bereiche prosaischen Redens bewegt, lehren, wie sorgfältig Platon gearbeitet hat, wie er gefeilt hat, um ein vollendetes Kunstwerk zu schaffen. In der Tat ist das Symposion das größte Kunstwerk unter den Platonischen Dialogen, eine der vollendetsten Prosaschriften der ganzen Antike und eines der größten Kunstwerke in der philosophischen Literatur überhaupt.

 

III. Das Thema des Symposions

 

Die höchst kunstvolle äußere Form des Symposions war für Platon nicht Selbstzweck. Sie ist nur das würdige Gefäß für den kostbaren Inhalt, den er hineingoß, seine Lehre vom Eros. Mit diesem Thema erweist er einmal dem Sokrates eine besondere Huldigung. Behauptet doch Sokrates bei ihm, er verstehe sich auf nichts anderes als auf die Kunst der Liebe, und ähnlich erklärt er bei Xenophon in dessen Konkurrenzschrift zu unserem Werk, ebenfalls mit dem Titel Symposion, er könne keine Zeit nennen, da er nicht in jemand verliebt gewesen sei. Der Eros ist ein Schlüssel zum Wesen des Sokrates; und so wundert es nicht, wenn der Schluß des Werkes ganz dem Sokrates gewidmet ist.

Zum anderen aber führt der Eros unmittelbar in Platons eigene Philosophie hinein, in die Lehre von den Ideen. Denn der Eros ist es, der den „Liebenden“ vom einzelnen sinnlich Schönen hinaufführt von Stufe zu Stufe bis hin zur Idee des Schönen, das identisch ist mit dem Guten. Das Symposion ist so geradezu beispielhaft für das Verhältnis von Sokratischem und Platonischem in den Werken Platons. Einerseits ist Platon der Persönlichkeit des Sokrates aufs tiefste verpflichtet, anderseits aber ist sein philosophisches Denken nicht auf der Stufe des sokratischen Philosophierens stehengeblieben. Über Sokrates hinaus, der sich auf der Suche nach Allgemeingültigem und Feststehendem gegenüber dem Subjektivismus der Sophisten mit der Begriffsbestimmung begnügt hatte, entwickelte er die Lehre von den Ideen als übersinnlichen, einheitlichen, ewigen und unveränderlichen Wesenheiten, durch Teilhabe an denen die Einzeldinge ihr besonderes Wesen haben.

 

IV. Die Knabenliebe bei den Griechen

 

Der philosophische Eros Platons ist eine sehr vergeistigte Form des Eros, um den es im Symposion zunächst geht. Es ist dies der paidikòs érōs, die Knabenliebe. Die Knabenliebe wird ein Überbleibsel aus der Zeit der Wanderungen gewesen sein. Dort erklärt sie sich leicht aus dem ständigen Zusammenleben der Männer, die miteinander die Beschwerden und Gefahren des Krieges teilten. Kein Wunder, daß wir sie im 5. Jh. gerade bei dem Stamm, der zuletzt einwanderte, den Dorern, noch am weitesten verbreitet finden. Sie war hier geradezu eine gesetzlich und religiös anerkannte, allerdings auf die Oberschicht beschränkte Einrichtung. So galt es in Kreta und Sparta sogar als Schande für einen Knaben, keinen Liebhaber zu finden. Dieser schenkte dem Knaben neben einem Becher und anderen wertvollen Geschenken ein Kriegsgewand, und wie die Bezeichnung parastatheís (Begleiter) zeigt, standen die Knaben im Kampf neben ihren Liebhabern. Der Liebhaber verkehrte mit dem Knaben von dessen 12. Lebensjahr an. Er trug für seine Erziehung die Verantwortung und wurde für unritterliche Handlungen, die dieser begangen hatte, bestraft. Neben den männlichen Verwandten war er geradezu der Vormund des Jünglings, der bis zum 30. Lebensjahr zur Agora nicht zugelassen war. In einem solchen Liebesverhältnis soll Lykurg die beste Erziehung erblickt haben.

Durch die Dorer kam die Knabenliebe auch nach Athen. Dort ist sie für uns zum erstenmal in der Dichtung Solons faßbar. Von ihm stammen auch die ersten gesetzlichen Verordnungen. Sie verboten die Knabenliebe keineswegs, sondern suchten nur zu gewährleisten, daß sie ein Mittel der Erziehung der Bürger zur aretē (Tugend, Tüchtigkeit) blieb und nicht ins rein Sinnliche absank. So wurden Sklaven von der Palaistra und der Knabenliebe, die also offenbar eng zusammengehörten ausgeschlossen. Wie verbreitet die Knabenliebe im 5. Jh. war, zeigen uns neben den Komödien des Aristophanes, die an zahlreichen Stellen auf solche Verhältnisse anspielen und ihre gewagtesten Scherze dieser Sphäre entnehmen, die Vasen schon von der Zeit des älteren schwarzfigurigen Stils an. Charakteristisch ist, daß Eros auf strengen rotfigurigen Vasen nur in Szenen erscheint, die den Umgang von Männern mit Epheben schildern. Das zeigt wie nichts anderes die beherrschende Stellung des paidikòs érōs im damaligen gesellschaftlichen Leben. Eben aus den Gefahren, die den Jugendlichen in der Öffentlichkeit drohten, erklärt sich auch die Sitte, den Knaben einen Paidagogos als Begleiter mitzugeben.

Im Zeitalter der griechischen Aufklärung nahm sich auch die Philosophie der Knabenliebe an. Ein Nachklang der sophistischen Debatten darüber mag der Erotikos des Redners oder besser: Redenschreibers — Lysias gewesen sein, den Platon im Phaidros parodiert. Einen entscheidenden neuen Aspekt gewann der Knabenliebe aber wohl erst Sokrates ab. Auf ihn wird der Gedanke zurückgehen, die Knabenliebe in den Dienst der Philosophie zu stellen, so wie sie bei den Dorern im Dienste ritterlicher Standeserziehung gestanden hatte und so veredelt worden war. Vertieft und in künstlerische Form gegossen hat diesen Gedanken aber erst Platon im Symposion. Schon hier, wie auch im Staate, hat Platon die sinnliche Seite der Knabenliebe ganz zurückgedrängt, sich aber noch nicht zu ihrer bedingungslosen Verwerfung entschließen können. Erst in den Gesetzen, seinem Alterswerk, verbietet er sie unbedingt.

 

V.     Das Symposion als Rahmen der Diskussion über den Eros

 

Wenn Platon für seine Behandlung des Eros den Rahmen eines Symposions wählte, so kam das nicht von ungefähr. Das Thema des Werkes ist der Eros. Diesen deutet Platon als das Streben des Menschen nach dem Schönen und Guten. Er ist so Mittel zur aretē. Aber nicht nur die aretē steht in enger Beziehung zu der Institution des Symposions und zum paidikòs érōs - diese Beziehung besitzt auch Platons Schule, die Platonische Akademie. Denn wie eine Reihe von anderen griechischen Gymnasien so hatte auch das sechs Stadien vor dem Dipylontor im Nordwesten der Stadt am Kephisos gelegene Akademiegymnasium, in dem Platon seine Lehrvorträge hielt und in dessen Nähe er einen Garten kaufte, ein Bild des Eros mit einem dem Gotte geweihten Altar‚ die beide vor dem Eingang des Gymnasions standen, und einen Eroskult.

Rechtlich bildete Platons Schule einen thíasos, eine religiöse Vereinigung, die dem Kult der Musen geweiht war. Sitz dieses Kultes, der sich in Opferfeiern und Gelagen manifestierte, war ein den Musen geweihtes Heiligtum im Schatten des dem Heros Akademos geweihten heiligen Haines, in dessen Nähe in einem Gymnasion Platon auch lehrte. Das Tun und Treiben dort erschöpfte sich indessen nicht im strengen Schulbetrieb. Es gehörten dazu auch die intimeren und gelösteren Gespräche bei den Symposien. Denn im Gegensatz zu dem Begriff, den wir im allgemeinen von einer Schule haben, schloß das Leben in der Platonischen Akademie eine gewisse Lebensgemeinschaft zwischen Lehrer und Schüler in sich. Das Band, das die gemeinsame Arbeit um alle legte, wurde geschlossen durch die festlichen Gelage, zu denen man zusammenkam, um entsprechend dem kultischen Charakter der Schulgemeinschaft die Gottheit zu ehren, und in denen die als Ausgleich der angestrengten Arbeit nötige Erholung sich mit einem Bildungsanliegen vereinigte. Gerade hierin sah Platon ein sehr wirksames Mittel zur Förderung der geistigen und sittlichen Bildung und Erziehung der Jugend. Die Begründung hierfür hat er im Alter in seinen Gesetzen geliefert, in denen ein großer Teil des ersten Buches diesem Problem gewidmet ist. Speziell als Mittel der Erziehung zur sōphrosýnē (Besonnenheit), werden hier die Symposien mit allem Nachdruck empfohlen.

Uns mag das seltsam erscheinen, und in der Tat ist die Gefahr der Verfehlung dieses Zieles und des Abgleitens in Luxus und Schwelgerei dabei sehr groß, wie das Beispiel des Peripatetikers Lykon lehrt. Dieselbe Verwunderung ergreift uns auch gegenüber dem Eros; auch den ihm von Platon zugewiesenen hohen Rang vermögen wir nicht leicht zu begreifen. Aber nicht nur wir. Auch den Zeitgenossen Platons erschien der Wert des Weingenusses bei den Symposien und der Wert der Knabenliebe nicht über jeden Zweifel erhaben. So kannten die Spartaner, deren gemeinsame Männermahle, Syssitien genannt, Platon uneingeschränkt gelobt hatte, keine Symposien, da sie jegliches Weintrinken ablehnten, und in der Zeit der Sophisten begegnete die Knabenliebe, wie im Symposion vor allem die Rede des Sophistenschülers Pausanias zeigt, gerade in Athen wachsender Kritik. Wenn Platon im Gegensatz dazu beide als versittlichende Kräfte anerkannte, dann natürlich nicht uneingeschränkt.

Es gehört zum Symposion und zum Weingenuß ganz allgemein das Maß, das Maßhalten, die sōphrosýnē. Die gleiche Forderung der sōphrosýnē gilt offenbar auch für den Eros. In diesem Sinne gab Platon beiden, dem Symposion mit seinem Weingenuß und dem Eros, ihren Platz in seiner Schule und seiner Lehre. Die irrationalen Kräfte, die von Eros und Dionysos ausgehen, sind ihm nicht ohne weiteres schlecht, sie geben vielmehr, nutzt man sie nur in der rechten Weise, den nötigen Schwung, damit der Mensch sein höchstes Ziel erreicht, die Schau der Idee und die aretē. Wie man nun ein Symposion richtig feiert, und zugleich, wie man sich in der rechten Weise dem Eros hingibt, das will Platon seinen Schülern und einer breiteren philosophisch interessierten Öffentlichkeit in diesem Werk lebendig vor Augen stellen, das eine in der äußeren Durchführung des geschilderten Symposions, das andere in der fortschreitenden theoretischen Erörterung des Eros bis hin zur völligen Vergeistigung des „Begriffes“ in der Diotimarede des Sokrates, schließlich aber am lebendigen Beispiel des anēr sōphronéstatos, des höchst besonnenen Mannes, Sokrates, dem die stärkste Versuchung zu sinnlichem Liebesgenuß nichts anhaben kann, so wie er — eine gewiß beabsichtigte Parallele — auch durch noch soviel Wein nicht seine Nüchternheit verliert.

 

VI. Die literarische Nachwirkung des Platonischen Symposions

 

Platons Symposion war der Anfang und zugleich der Höhepunkt einer besonderen Gattung der antiken Prosaliteratur. Das gilt auch, wenn zur Zeit Platons, wie es wahrscheinlich ist, tatsächlich schon eine frühe, volkstümliche Darstellung eines Gastmahles der Sieben Weisen vorlag, von der die Bearbeitung durch Plutarch von Chaironeia ein später Niederschlag ist. Doch zeigt Platon nicht die Spur einer Kenntnis dieser Novelle und bedurfte ihrer für sein Symposion auch kaum. Einmal geschaffen, fand aber diese Form einer Reihe von Reden beim Symposion eine eifrige Nachfolge.

 

Die folgende Übersicht soll nur die wichtigsten Symposien auf den Spuren Platons vorführen. Der erste Nachahmer war gleich Xenophon in seinem schon erwähnten Symposion, seiner liebenswürdigsten Schrift. Das von Xenophon geschilderte Symposion entsprach sicher weit mehr der Realität eines attischen Gastmahls als das Platonische. Ein Possenreißer, Flöten- und Kitharaspiel und Gesang sowie tänzerische Vorführungen, wie Purzelbäume einer schönen Sklavin über Schwerter und ein Mimus, der die Vereinigung des Dionysos mit der Ariadne darstellt, beanspruchen neben dem Gespräch einen breiten Raum.

Von Aristoteles wird ein Symposion im Katalog seiner Schriften genannt, aber wir wissen nicht einmal, ob es erotischen Inhalt hatte. In ähnlicher Weise wissen wir von Epikur zwar, daß er ein Symposion geschrieben hat — es hatte keinen einheitlichen Gesprächsstoff und zeichnete sich durch Verachtung der guten Sitten aus —‚ das Werk selber aber ist verloren gegangen. Der Arzt Herakleides von Tarent aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert schrieb ein ärztliches Symposion, in dem er Fragen der Diät erörterte.

In die römische Literatur hat Maecenas, der mächtige Vertraute des Augustus und Förderer der Dichtung, das Symposion eingeführt. Er vereinigte Horaz, Vergil, den Messalla und vielleicht noch einige andere zu einem Tischgelage. Auch dieses Werk ist verloren gegangen.

In Plutarchs Gastmahl der Sieben Weisen sitzen insgesamt vierzehn Personen zu einem Symposion zusammen, unter ihnen außer den Sieben Weisen der Fabeldichter Aisopos. Das kleine Werk lebt von vielen kleinen Erzählungen und den Worten der Sieben Weisen. Daß Plutarch im Symposion die geeignete Form sah, um die Fülle seines angelesenen Wissens auszubreiten, zeigt ein zweites symposiotisches Werk mit dem Titel Symposiakà problēmata Hier erzählt Plutarch in neun Büchern von mehreren Gastmählern, auf denen im ganzen über mehr als hundert verschiedene Probleme geredet wird.

Der Spötter Lukian von Samosata in Syrien bediente sich der Form des Symposions, um den hohlen Dünkel der Philosophen seiner Zeit zu geißeln. Nachdem sich die als Gäste einer Hochzeitsfeier geladenen Vertreter der verschiedenen Philosophenschulen höchst ungehörig benommen haben, geraten sie sich zum Schluß wegen der nach Hause mitzunehmenden Überbleibsel vom Mahl sogar in die Haare, und die Feier endet mit einer blutigen Prügelei.

Ein Lexikon in Form von Tischgesprächen hat man die Deipnosophistaí (Die Dinergelehrten) des zu Anfang des 3. Jh. n. Chr. lebenden Athenaios aus Naukratis in Ägypten genannt. In 15 Büchern schildert Athenaios ein Gastmahl, zu dem 29 Gäste geladen sind und das sich über mehrere Tage erstreckt. Das Werk ist überreich an Zitaten. Etwa 800 Schriftsteller kommen in ihm zu Wort. Da die meisten der Texte, aus denen Athenaios seine oft aus Lexika ausgezogenen Zitate schöpft, nicht mehr erhalten sind, ist sein Werk von unschätzbarem Wert, in sich ist es jedoch nicht gerade ein Meisterwerk der Weltliteratur.

Der Bischof von Olympos in Lykien Methodios wollte mit seinem weinlosen Symposion der zehn Jungfrauen, die nacheinander eine Lobrede auf die Keuschheit halten, das Platonische Symposion, das er in der Anlage und in vielen Einzelheiten nachahmt, durch ein christliches Gegenstück ersetzen.

Dagegen zeigt der Kaiser Julian Apostata in seiner Satire Sympósion ē Krónia, in der er eine Reihe römischer Kaiser und Alexander den Großen zu einem von Quirinus Romulus veranstalteten olympischen Symposion an den Saturnalien zusammenkommen läßt, christenfeindliche Tendenz. Wie jeder der Kaiser sich einen Schutzgott wählen soll, entscheidet sich Konstantin für die tryphē (Weichlichkeit, Üppigkeit). Den ersten Preis erkennen die Götter dem Philosophen und Christenfeind Mark Aurel zu, neben Alexander Julians Herrscherideal.

Wie Athenaios, den er nachgebildet hat, benutzt schließlich auch Macrobius um die Wende des 4. und 5. Jh. in seinen 6 Bücher umfassenden Saturnalia, die die Unterhaltungen an den drei Tagen des Saturnalienfestes wiedergeben, den Rahmen eines Symposions, um allerlei aus Büchern aus­gezogene gelehrte Notizen über römische Altertümer und Vergil betreffende philologisch-literarische Fragen zur Belehrung seines Sohnes auszubreiten.

Aber die Nachwirkung des Platonischen Symposions ist nicht auf die Antike beschränkt. So stehen etwa Giordano Brunos Cena delle ceneri (Aschermittwochsmahl), fünf Dialoge über naturwissenschaftliche Fragen, und Voltaires Dîner du comte de Boulainvilliers, eine theologische Streitschrift über Judentum und Christentum und voll von kirchenfeindlichem Spott, sowie die Weihnachtsfeier des Platonübersetzers Schleiermacher deutlich in Platons Nachfolge. Vielleicht darf man aber auch Boccaccios Decameron und ähnliche Novellenkränze, die zwar nicht mehr an ein Gastmahl gebunden sind, wo aber doch reihum jeder einmal das Wort erhält, hierher zählen.

Von den Werken, die zwar nicht in formaler Hinsicht vom Platonischen Symposion abhängen, aber aus seinem Geist heraus geschaffen sind, seien wenigstens Hölderlins Hyperion, in dem Diotima ihre Auferstehung feiert, sowie aus neuerer Zeit Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig genannt.

 

 

© Verlag Aschendorff, Münster